Der Mann mit dem besonderen Auge

Es begann mit einem Pfeilgiftfrosch. Mit einem Tier aus den Tropen also, dessen Nervengift die Naturvölker verwenden, um für die Jagd ihre Pfeilspitzen effektiver zu machen. Bernhard Schubert sah als Teenager eine Doku über den Frosch und beobachtete ihn schon bald darauf in seinem Terrarium: „Ich war seit meiner Kindheit gerade von diesen besonderen Kleintieren wie Geckos fasziniert.“ Damals beschäftigte er sich vor allem mit Käfern und Würmern, die er in der Natur beobachtete, weil „sie in ihren Verhaltensweisen das gewisse Etwas haben“ – und weil deren Bewegungsradius im Unterschied zu Vögeln überschaubar ist. „Ich habe Heuschrecken in Spinnennetze geworfen, um zu sehen, was passiert.“ Und irgendwann wollte der Wiener Neustädter seine Erfahrungen eben auch dokumentieren. „Ich habe die Frösche zuerst daheim in allen Lebenslagen fotografiert, und bald darauf bin ich nicht mehr ohne Kamera aus dem Haus gegangen“, sagt der 29-Jährige. Die Leidenschaft für die Tierwelt wuchs mit jeder Begegnung „wie ein Fieber“. Er fotografierte (stundenlang im Tarnzelt verharrend) Rehe, Füchse, Bären … und auch Vögel. Die sind exemplarisch für die Zeit, die sich ein guter Naturfotograf geben muss: „Es braucht sehr viele Beobachtungen, um Bewegungen richtig interpretieren zu können und zu wissen: Jetzt ist es gleich so weit, der Seeadler fliegt weg, und ich drücke den Auslöser.“

Aber die Fotografie ist ein weites Feld. Nicht nur das Verhalten der Tiere gerät zunehmend in den Fokus, auch ihr Lebensraum oder das Phänomen unterschiedlicher Lichtsituationen:

„Früher habe ich mich auf Reptilien konzentriert, aber mittlerweile habe ich kein Spezialthema mehr. Ich will mich immer wieder neu erfinden.“ Und so hat Bernhard Schubert längst auch das Auge für Pflanzenmotive gefunden, für Bakterienteppiche, Flechten oder Schwämme. „Egal auf welcher Mission ich bin“, sagt er, „die Welt hat Überraschungen für mich parat.“ Vor allem in den Regenwäldern. Gerne erinnert sich der Wiener Neustädter, der zahlreiche internationale Preise gewann, an seine erste Exkursion nach Französisch-Guayana, wo er den Pfeilgiftfrosch erstmals in dessen natürlichem Habitat erleben durfte. „Die Welt ist mein Zoo“, sagt er, und die Begeisterung ist in seinen Erzählungen spürbar. Wenn er über das Geduldsspiel mit Kamerafallen spricht, über Wölfe in Rumänien, Elefanten, Orang-Utans und Krokodile auf Borneo oder über seine Masterarbeit zu den Fledermäusen im Seewinkel-Schilf: „Ich habe 72.000 Rufe, die ich derzeit analysiere.“

Dann ist das Studium „Wildlife Ecology and Management“ abgeschlossen, aber der Wildtierbiologie  will  auch in Zukunft die Hälfte seiner Zeit der Fotografie widmen. Auch für dieses Magazin, für das Bernhard Schubert die Oasen seiner Heimatstadt dokumentieren wird. „Ich freue mich, weil auch dabei Unerwartetes geschehen wird.“ Wenn auch sicher kein Treffen mit dem Pfeilgiftfrosch.